Titelthema

Carl Wilhelm Scheele und die Feuerluft

gas aktuell Nr. 44, 1993 

Foto: Portrait- Plakette aus dem Geburtshaus von Carl Wilhelm Scheele (ein Portrait Scheeles aus seinen Lebzeiten existiert nicht)

Titelthema

Carl Wilhelm Scheele und die Feuerluft

gas aktuell Nr. 44, 1993 

Foto: Portrait- Plakette aus dem Geburtshaus von Carl Wilhelm Scheele (ein Portrait Scheeles aus seinen Lebzeiten existiert nicht)

Der zweihundertfünfzigste Geburtstag von Carl Wilhelm Scheele, einem der beiden Entdecker des Sauerstoffs, gibt uns Anlaß für einen Rückblick auf die Geschichte dieses wichtigen Elements seit seiner Entdeckung. Sauerstoff ist unverzichtbar für Atmungs- und Stoffwechselvorgänge und somit Grundlage des Lebens. Darüber hinaus ist er die Basis für Verbrennungsprozesse und damit bedeutend für einen wesentlichen Teil unserer Energiegewinnung. Als chemisches Element wurde Sauerstoff von C. W. Scheele und J. Priestley unabhängig voneinander entdeckt und isoliert. A. L. Lavoisier erkannte die fundamentale Bedeutung des Sauerstoffs bei den Verbrennungsvorgängen. Die Geschichte seiner technischen Anwendung beginnt zwar schon mit dem unreflektierten Benutzen des Feuers vor ca. 300.000 Jahren, die großtechnische Verwertung von Sauerstoff setzte jedoch erst um die Jahrhundertwende mit der Entwicklung der Luftzerlegung durch Tieftemperatur-Rektifikation ein. Die Vorläuferfirmen von Messer Griesheim sind ebenfalls in dieser Zeit entstanden. Die Geschichte der Sauerstoff-Technik ist untrennbar mit der Firmengeschichte verbunden. Dieser Aufsatz ist daher Dr. Hans Messer zu seinem 50­-jährigen Dienstjubiläum gewidmet.

Leben und Werk von Carl Wilhelm Scheele

Vor 250 Jahren, am 19. Dezember 1742, wurde Carl Wilhelm Scheele als Sohn des angesehenen Kaufmanns Joachim Christian Scheele und dessen Ehefrau Margarethe Eleonore, geb. Warnekros, in Stralsund geboren. Nach dem Elementarunterricht in einer Privatschule begann Scheele mit 14 Jahren auf eigenen Wunsch in Göteborg eine Lehre als Apotheker. Hier erhielt er bei dem der Familie verbundenen Apotheker Bauch seine Grundausbildung, die er durch intensives Bücherstudium und selbständiges Experimentieren vertiefte. Als die Apotheke 1765 verkauft wurde, zog Scheele nach Malmö. Hier in der Apotheke „Zum Adler“ wurde er vor allem im Laboratorium beschäftigt und setzte, unterstützt von seinem Arbeitgeber, seine Experimente fort. In Malmö gewann er auch die Freundschaft von A. J. Retzius, der ihn dazu anhielt, systematisch zu arbeiten und die Resultate seiner Versuche aufzuzeichnen.

Geburtshaus von C. W. Scheele in Stralsund. Stralsund gehörte bei seiner Geburt zum Königreich Schweden.

1768 übersiedelte Scheele nach Stockholm, wo er seine Experimente fortsetzte und die Untersuchungen zur Gas-Chemie begann. In Uppsala, der nächsten Station, lernte er seinen künftigen Förderer, Torbern Bergman, kennen. Daraus entwickelte sich eine für die beiden Seiten fruchtbare Zusammenarbeit. Bergman profi­tierte von Scheeles Experimenten und Entdeckungen, während Scheele aus dem theoretischen Wissen, der schriftlichen Gewandtheit und dem weltweiten Ruf Bergmans großen Nutzen zog. Bergman war es auch, der Scheele zu seinen Braunstein-Untersuchungen anregte, die schließlich die 1768 begonnenen Luft-Feuer-Experimente im Jahr 1771 mit der Entdeckung des Sauerstoffs und des Chlors krönen sollten. Wohl aufgrund dieser Braunstein-Untersuchungen wurde Scheele zum Mitglied der Schwedischen Gesellschaft der Wissenschaften vor­geschlagen und 1775 in die Gesellschaft ­gewählt, obwohl er keine akademische Ausbildung vorweisen konnte und somit lediglich als „studiosus pharmaciae“ galt. Im April des selben Jahres übernahm er die Apotheke des verstorbenen Provisors Pohl in Köping, wodurch er sich eine ­gewisse Eigenständigkeit verschaffte. In dieser Zeit verfaßte Scheele auch sein berühmtes Hauptwerk „Die Chemische Abhandlung von der Luft und dem Feuer“. Er übergab es Ende 1775 dem Verleger zum Druck. Die Fertigstellung verzögerte sich jedoch, sodaß das Buch erst im Herbst 1777 erschien.

Darstellung zu den grundlegenden Versuchen von Scheele aus den Abhandlungen von 1777

Gerätschaften Lavoisiers für Experimente zur Gasetechnik

Den Ruf an die Berliner Akademie und einen weiteren nach England nahm er nicht an. „Ich kann mich nicht mehr als satt essen, und wenn ich dieses in Köping tun kann, so brauche ich mein Brot nicht anderswo zu suchen“, schrieb er an ­Bergman.

Als Auflage aus dem Übernahmevertrag für die Apotheke hatte er im November 1777 das Apotheker-Examen abzulegen. Diese Gelegenheit nutzte er, um zuvor seine Eintrittsrede in Stockholm zu halten. Danach gestaltete sich das Examen zu einer Huldigung der Prüfer für den bereits berühmten Forscher, der schon mit auf der Vorschlagsliste für die Präsidentenwahl stand. Das Präsidentenamt wurde zwar durch Loswahl anders besetzt, aber Scheele erhielt auf Bergmans Vorschlag hin eine Unterstützung von 100 Rikdaler pro Jahr, die ihm bis an sein Lebensende ausgezahlt wurden. 1781 konnte er ein neues Haus erwerben, in dem er sich erstmals ein gut ausgestattetes Laboratorium einrichtete. Bis dahin hatte er seine großen Entdeckungen in Winkeln und Fensternischen als Apotheker-Lehrling und Laborant gemacht. 1778 wurde Scheele Ehrenmitglied der „Gesellschaft naturforschender Freunde“ in Berlin und erhielt weitere Ehrungen, die jedoch Köping zum Teil erst nach seinem Tod am 21. Mai 1786 erreichten. Die wissenschaftlichen Arbeiten Scheeles umfassen fast alle Gebiete der damaligen Chemie. Als Autodidakt hatte er eine ­unsystematische Arbeitsweise beibehalten und war meistens mit verschiedenen ­Untersuchungen gleichzeitig beschäftigt.

Scheele führte nur selten konsequente Stoffbilanzen durch, obwohl er aus den Arbeiten von Black und Lavoisier den Vorteil dieser Art des Arbeitens kannte. Er war jedoch ein Meister der qualitativen und synthetischen Chemie, und wohl keiner seiner wissenschaftlichen Zeitgenossen besaß so umfassende Kenntnisse wie er über die Reaktionen der damals bekannten Stoffe.

Stahlflaschen für Druckgase sahen schon vor 150 Jahren den heutigen sehr ähnlich. Abgebildet ist eine Anordnung zum Abfüllen von CO₂ unter Druck

Er erarbeitete wichtige Grundlagen der analytischen, der präparativen anorganischen wie auch der organischen Chemie. Die in seiner Zeit herausragenden Arbeiten auf all diesen Gebieten dokumentieren seine Vielseitigkeit. Wirklich berühmt gemacht haben ihn aber die Entdeckungen des Chlors, der „dephlogistonierten Salzsäure“, und vor allem des Sauerstoffs, der „Feuerluft“.


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